Fragen und Antworten

Was ist eine "Gemeinschaftsschule"?

Die beiden zentralen Merkmale der Gemeinschaftsschule sind das Längere gemeinsame Lernen und die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler. Diese können in einem gemeinsamen Bildungsgang eine allgemeine, berufsvorbereitende und vertiefte allgemeine Bildung erwerben. Die Gemeinschaftsschule umfasst die Primarstufe (Klassenstufen 1 bis 4), die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) sowie die Sekundarstufe II (Jahrgangsstufen 11 und 12 bzw. 13). Die Schülerinnen und Schüler können in diesem Rahmen den Hauptschulabschluss, den qualifizierenden Hauptschul­abschluss, den Realschulabschluss oder die allgemeine Hochschul­reife erwerben. Sie lernen gemein­sam in ihren Klassenverbänden oder jahrgangs­übergreifenden Lerngruppen, werden nicht nach Leistungsgruppen getrennt, sondern im vor­wiegend binnen­differen­zierenden Unterricht ihren Leistungsmöglichkeiten, Bega­bun­gen und Bildungsabsichten entsprechend individuell gefördert. Ab Klassenstufe 9 kann je nach Leistungsstand und angestrebtem Abschluss abschlussbezogenes Lernen erfolgen.

Wodurch zeichnet sich der Unterricht an einer Gemeinschaftsschule aus?

Gemeinsames Lernen hat den Vorteil, dass in einer Lerngruppe Kinder mit unterschiedlichen Begabungen und Interessen zusammenkommen, die miteinander und voneinander lernen. Dazu ist jedoch eine besondere Lernkultur mit Lerngemeinschaften und kooperativen Lernformen erforderlich, in der eine konsequente individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes erfolgt. Jedes Kind kann seine eigenen Leistungsmöglichkeiten und seine kommunikativen und sozialen Fähigkeiten auf vielfältige Weise weiterentwickeln. Auch die Lehrkräfte können sich, während die Gruppe weiterarbeitet, gezielt um einzelne Lernende kümmern, sie fachlich und lernmethodisch unterstützen, ihnen Aufgaben geben, die ihrem speziellen Leistungsstand entsprechen oder sie zum Lernen ermutigen. So erhalten alle Schülerinnen und Schüler verbesserte Lernchancen, unabhängig von speziellen Förder- und Unterstützungsbedarfen oder besondere Begabungen. Dieser Anspruch lässt sich optimal nur langfristig in einem entwicklungsoffenen Bildungsgang ohne Brüche oder Wechsel zwischen verschiedenen Schularten verwirklichen.

Welchen Schulabschluss kann mein Kind an der Gemeinschaftsschule erreichen?

Die Schülerinnen und Schüler können an der Gemeinschaftsschule alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse erwerben. Je nach Leistungsmöglichkeiten und Bildungsabsichten sind dies: der Hauptschulabschluss, der qualifizierende Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss oder die allgemeine Hochschulreife.

Wie geht es nach der 10. Klasse weiter, wenn mein Kind Abitur machen möchte?

Mit dem Abschluss der 10. Klasse erwirbt das Kind bereits einen mittleren Schulabschluss (Realschulabschluss). Soll der Weg zum Abitur fortgesetzt werden, erfolgt das entweder an der Gemeinschaftsschule oder an einem kooperierenden (beruflichen) Gymnasium.

Warum soll es auch in Sachsen Gemeinschaftsschulen geben?

Die Gemeinschaftsschule soll als gleichberechtigte weitere Schulform eingeführt werden.

In neun deutschen Bundesländern gehören Gemeinschaftsschulen zur Schullandschaft und haben sich bewährt. International sind Längeres gemeinsames Lernen und Gemeinschafts­schulen ohnehin Standard. Längeres gemeinsames Lernen gibt es in Sachsen bislang nur in wenigen Ausnahmefällen, z.B. in den nicht-staatlichen Waldorfschulen oder per Ausnahme im Schulgesetz an der Nachbarschaftsschule Leipzig und dem Chemnitzer Schulmodell. Sachsen hält bisher am gegliederten Schulsystem fest und gehört zu den Bundesländern mit dem höchsten Unterrichtsausfall, mit einer hohen Quote von elternfinanzierter Nachhilfe und Schulabgängern ohne Abschluss sowie mit weiten Schulwegen, insbesondere in ländlichen Regionen. Schülerinnen und Schüler werden in Sachsen nach der 4. Klassenstufe weiterführenden Schularten zugeordnet. Dabei ist unbestritten, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau bestimmbar sind. Die Sachsen haben in einer repräsentati­ven Befragung des EMNID-Instituts (2017) ein klares Bekenntnis zu einem Längeren gemein­samen Lernen in der Schule abgelegt. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) lehnten die bislang übliche Aufteilung der Kinder nach der vierten Klasse ab und 66 Prozent sprachen sich für die Einführung von Gemeinschaftsschulen aus.

Welche Vorteile hat die Gemeinschaftsschule gegenüber anderen Schulformen?

Das Lernen – und nicht die Auslese – steht im Vordergrund. Die schriftliche Bildungsempfehlung in der 4. Klasse entfällt, denn die frühe Entscheidung über die weitere Schullaufbahn ist nicht objektiv. Sie verstärkt vielmehr den Schulstress und kann Kinder, Eltern und Lehrerende sozial und psychisch belasten. In der Grundschule entstandene Freundschaften und Lerngemeinschaften der Kinder werden nicht mehr aufgelöst, sondern in der 5. Klasse der Gemeinschaftsschule kontinuierlich fort­ge­setzt.

Parallel zum Gymnasium entsteht ein gleichwertiger Weg bis zum Abitur. Es gibt keine gesonder­ten Bildungsgänge, die sich schon in der 5. Klasse auf einen bestimmten Abschluss beziehen. Gemeinschaftsschulen bieten mit einem durchlässigen und individualisierten Lernangebot allen Schülerinnen und Schülern bessere Entwicklungschancen. Bei der aktuellen Sonderauswertung von PISA (2018) zeigte sich, dass eine gute soziale Mischung der Schülerschaft ein Erfolgsfaktor ist, um alle Kinder zu guten Leistungen zu bringen. Bei einem sächsischen Schulversuch gehörten die Gemeinschaftsschulen in Leipzig und Chemnitz zur Spitzengruppe.

Mehr als zwei Drittel der Eltern schulpflichtiger Kinder plädieren bundesweit für Längeres gemeinsames Lernen über die vierte Klasse hinaus (Elternstudie von Killus/Tillmann 2017). 60 Prozent sind der Ansicht, dass der gemeinsame Unterricht den verschiedenen Lernvoraussetzungen besser Rechnung tragen kann.

Wenn wohnortnahe Gemeinschaftsschulen alle Bildungswege offenhalten, verkürzen sich die Schulwege und die Kontakte der Eltern mit der Schule werden erleichtert. Damit kann die Gemein­schaftsschule insbesondere für die ländlichen Regionen der verlässliche Schultyp werden, die dort auch einzügig (eine Klasse pro Jahrgang) oder jahrgangsübergreifend organisiert werden darf. Lehrerinnen und Lehrer arbeiten länger mit den gleichen Schülergruppen. Grundschul-, Oberschul- und Gymnasiallehrer haben die Möglichkeit an einer Schule miteinander zu kooperieren und ihre Unterrichtskonzepte mit Blick auf die bestmöglichen Schulabschlüsse zu koordinieren.

Welche Lehrkräfte unterrichten an Gemeinschaftsschulen?

An der Gemeinschaftsschule unterrichten Lehrkräfte in den jeweiligen Schulstufen, für die sie ausgebildet sind, also: Grundschullehrer/innen in den Jahrgängen 1 bis 4, Oberschul- und Gymnasiallehrkräfte in den Jahrgängen 6 bis 10 und Gymnasiallehrkräfte in den Jahrgängen 11 und 12. Wie an allen anderen Schulen sollen auch Sonderpädagogen an der Gemeinschaftsschule unterrichten. Durch die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitsmarkt wird es nicht vermeidbar sein, dass auf Quer- bzw. Seiteneinsteiger an der Gemeinschaftsschule zurückgegriffen werden muss. Da die Gemeinschaftsschulen ein besonderes pädagogisches Programm haben, käme es darauf an, dass die zu gewinnenden Lehrkräfte für reformpädagogische Fragen und Unterrichtsmethoden sensibilisiert sind. Die Gemeinschaftsschulen sollten sich auch Lehrkräfte mit aussuchen dürfen, die zu ihrem pädagogischen Programm passen.

Warum braucht Sachsen eine weitere Schulform, obwohl Sachsen im „Bildungsmonitor“ in den letzten Jahren stets an der Spitze steht?

Es gibt wissenschaftliche anerkannte Qualitätskontrollen des Schulsystems, wie etwa PISA, die Studien des IQB oder die Hattie-Studie – dazu gehört der „Bildungsmonitor“ nicht. Durchgeführt wird die Studie vom „Institut der deutschen Wirtschaft Köln“ (IW) im Auftrag der Initiative neue Marktwirtschaft (INSM). Diese wird finanziert aus Mitteln der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie und positioniert sich programmatisch z.B. gegen Mindestlohn, hält die Vermögenssteuer „für nicht zeitgemäß, ökonomisch unvernünftig und sozial ungerecht“ und spricht sich gegen eine Aufweichung der Agenda 2010 aus (s. Website der INSM).

Im „Bildungsmonitor“ 2016 sind unter 12 Hauptkriterien insgesamt 93 Indikatoren, das sind Messwerte und Daten, die zur allgemeinen Verfügung stehen, zusammengestellt und nach Bundesländern ausgewertet worden. Über die Vergabe von Punktzahlen wurde ein Gesamt-Ranking erstellt, für die einzelnen Kriterien und Unteraspekte gibt es separate Rangreihen. Zwei der 12 Kriterien haben mit Schule und Schulpolitik überhaupt nichts zu tun. Einwerbung von Forschungsgeldern und Anzahl der Ingenieurstudenten – bei diesen Kriterien schneidet der Freistaat Sachsen sehr gut bis gut ab. Zentrale schulrelevante Parameter könnte man dagegen bei den Kriterien Förderinfrastruktur, Schulqualität und Ausgabenpriorisierung erwarten. Dies ist aber nur teilweise zutreffend und die Ergebnisse fallen für Sachsen nicht immer günstig aus. Bei der Förderinfrastruktur geht es nicht etwa um das zentrale Anliegen der Unterrichtsforschung heute, das individualisierte Lernen und die bereichsspezifische Förderung, sondern um den Anteil der Ganztagsschüler im Schulsystem und den Qualifizierungsgrad des Kita-Personals. Bei der Schulqualität gibt es ebenfalls einen sehr eingeschränkten Blick. Während in den wissenschaftlichen Debatten um Schulqualität die Bedeutung der schulischen Lernumwelt (z.B. Unterrichtsqualität, Schulklima) als Erfolgsfaktor eine gesicherte Erkenntnis ist, beschränkt sich der Bildungsmonitor auf die Wiedergabe ausgewählter Ergebnisse der obligatorischen Kompetenztests. So beziehen sich die Ergebnisse zur Unterrichtsqualität im Bildungsmonitor 2018 auf die Überprüfung im Lesen 9. Klasse (2015), in Mathematik 4. Klasse (2016) und im Lesen 4. Klasse (2016).  Bei den öffentlichen Bildungsausgaben ist für Sachsen kritisch zur Kenntnis zu nehmen, dass in die Grundschulen (Rang 12) vergleichsweise weniger investiert wird als z.B. für beruflichen Schulen im dualen System (Rang 2). Auswirkungen hat dies u.a. für die Lehrer-Schüler-Relation in Grundschulen, hier liegt Sachsen auf Rang 10 und in den allgemeinbildenden Schulen auf Rang 6 von 16 Bundesländern. Dass die Altersstruktur der Lehrerschaft in Sachsen ein Problem darstellt, bestätigt bereits diese Studie: Beim Altersstrukturindex im allgemeinbildenden Bereich rangiert Sachsen erneut auf Platz 13.

Dennoch werden die Ergebnisse vom Kultusministerium so kommuniziert, als würde das sächsische Schulsystem wieder einmal eine Spitzenposition belegen. Und die Presse nimmt diese Kommentare hin und viele Bürger nehmen sie hin und keiner macht sich die Mühe, die Studie genauer anzuschauen. Dann würde man nämlich feststellen, dass Manches im sächsischen Schulsystem reformbedürftig ist. Dabei ist uns im Koalitionsvertrag der beiden Regierungsparteien unter dem Stichwort „Schulische Bildung“ versprochen worden, dass eine Bildungspolitik gestaltet wird, „die Bewährtes beibehält und sinnvolle Neuerungen mit Augenmaß auf den Weg bringt. Wir werden diese Entwicklung eng mit den Eltern und Schülern, mit den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Schulträgern abstimmen. Schulen sollen eigenverantwortlich und demokratisch gestaltet werden.“

Dazu bedarf es einer Kompromissfähigkeit, eines Überblicks über die nationalen und internationalen Entwicklungen der Schullandschaft und vor allem einer Bereitschaft, bei den Adressaten von Bildung genau hinzuhören, welches ihre Erwartungen an das Bildungssystem sind.

Welche Schüler sind für die Gemeinschaftsschule geeignet?

Ziel und Zweck der Gemeinschaftsschule ist es, alle Schülerinnen und Schüler aufzunehmen und ein längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Die Unterschiedlichkeit der Kinder ist kein Nachteil, sondern kann pädagogisch genutzt werden. In den Jena-Plan-Schulen wird es daher zum Prinzip gemacht, unterschiedliche Altersjahrgänge gemeinsam zu unterrich­ten. Die Kinder lernen voneinander und miteinander – so ist es auch in den Gemeinschafts­schulen. Allerdings erhalten nur dann alle Schülerinnen und Schüler verbesserte Lernchancen, wenn die individuellen Ausgangsbedingungen und Begabungen sowie ein spezieller, auch sonderpädagogischer Förder- und Unterstützungs­bedarf berücksichtigt werden. Aufgaben und Anforderungen müssen so zugeschnitten sein, dass sie für den einzelnen Lernenden auch „schaffbar“ sind und er sich ggf. zusätzliche Unterstützung bei den Mitschülern oder von den Lehrkräften holen kann.

Wie wird sichergestellt, dass die Kinder an der Gemeinschaftsschule genug lernen? Können Schüler mit der Freiheit beim selbstverantwortlichen Lernen umgehen?

Gemeinschaftsschulen sind – wie alle anderen öffentlichen Schulen – an festgelegte bundesweite Bildungsstandards sowie die sächsischen Lehrpläne und Stundentafeln gebunden. Das Bildungsniveau aller Schülerinnen und Schüler wird beispielsweise durch verbindliche Kompetenztests überprüft und gesichert – das gilt auch für Gemeinschaftsschulen. Bei der Umsetzung und Ausgestaltung der Lehrpläne und Stundentafeln liegt die Verantwortung bei der Schule, auch der einzelne Lehrer hat Spielräume und kann auf die Interessen der Kinder in seiner Klasse eingehen. Der Unterricht in Gemeinschaftsschulen orientiert sich am jeweiligen Schulprogramm, das beim Antrag auf Errichtung der Schule vorgelegt werden muss. In dem Konzept werden die Maßnahmen zum Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft und der Individuellen Förderung festgelegt. Dabei kann auf bewährte Konzepte und pädagogische Erfahrungen an Modellschulen ebenso zurückgegriffen werden wie auf Erkenntnisse aus der Evaluation der bestehenden Gemeinschaftsschulen in Deutschland. Zahlreiche aktuelle Konzepte beinhalten Formen selbstverantwortlichen Lernens. Dieses kann jedoch nicht vorausgesetzt, sondern muss erst kontinuierlich erworben werden. Dabei wird ein unterschiedlicher Grad an Unterstützung notwendig sein. In Gemeinschaftsschulen gehört der Wechsel zwischen indivi­duellen und kooperativen Lernphasen zum Kern des Unterrichtskonzeptes und schließt die systematische Befähigung zum selbstorganisierten, selbstverantwortlichen Lernen als Ziel­setzung ein.

Werden leistungsstarke Schüler ausreichend gefordert und gefördert?

Gemeinschaftsschulen verfolgen das Ziel, jeden einzelnen Lernenden optimal zu fördern. Das gilt selbstverständlich auch für die leistungsstärksten unter ihnen. Diese können andere „mitziehen“ und zu einer Verbesserung des Niveaus der ganzen Lerngruppe beitragen.  Gemeinsames Lernen kann nur gelingen, wenn auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler anspruchsvolle Lern­aufgaben bewältigen, ihre Begabungen entwickeln und ihre fachlichen Kompetenzen ständig verbessern. Beim kooperativen Lernen kommt dies auch ihren Mitschülern zugute. Auf dem Weg zum Abitur kann ab Klasse 9 abschlussbezogen unterrichtet und so eine gezielte Vorbereitung auf die Prüfungen zur allgemeinen Hochschulreife erfolgen.  Das gesamte Leistungsniveau einer Lerngruppe lässt sich optimal steigern, wenn Schülerinnen und Schüler aller Leistungsniveaus gefördert und gefordert werden.

Führt individuelles Lernen zur Isolierung und Vereinsamung der Kinder?

Das Individuelle Lernen schließt das Fachliche sowie das Soziale und die Entwicklung der Persönlichkeit in der Gruppe ein. Gemeinschaftsschulen stehen gerade für die Gruppen­integration. Negative Auswirklungen auf die Persönlichkeit sind eher zu befürchten, wenn Kinder auf Grund schlechter Leistungen aus Lerngruppen ausgegrenzt und auf andere Schulen verwiesen werden. Das individuelle Lernen in Gemeinschaftsschulen wird in der Regel als eine Mischung verschiedener didaktischer Methoden gestaltet: Neben individuellen Lernzeiten (selbstverantwortliches Lernen) finden – das ist in der heutigen Vorstellung von Unterricht unumstritten – regelmäßige Phasen kooperativen Lernens und Phasen der Instruktion (sog. Frontalunterricht) statt. In der Verantwortung der Lehrkraft liegt es, diese Phasen, abhängig von den jeweiligen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler der Bezugsgruppe/ Klasse und von den jeweiligen Lernzielen, zu organisieren und entwicklungsfördernd zu gestalten.

Welche Rolle spielt die Klassengemeinschaft in der Gemeinschaftsschule?

Die Klassengemeinschaft ist ein wichtiger Faktor für die soziale und psychische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Eine positive Klassengemeinschaft hilft nicht nur die sozialen Kompeten­zen und die Persönlichkeit zu entwickeln, sondern fördert auch die fachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Die Klassengemeinschaft, das impliziert bereits der Begriff „Gemeinschaft“, ist ein Markenzeichen der neuen Schulform Gemeinschaftsschule und wird insbesondere durch das längere gemeinsame Lernen gefestigt. In der Forschung gibt es Hinweise darauf, dass sich durch eine langfristige Bindung an eine bestimmte Lehrperson positive Effekte zeigen, beispielweise sind lt. Pisa-Sonderauswertung 2018 insbesondere benachteiligte Schülergruppen in konstanten Sozialbeziehungen fachlich erfolgreicher. Eine gute soziale Mischung der Lerngruppe ist ein Erfolgsgarant: Problemgruppen dürfen nicht überwiegen, ein nicht zu kleiner Anteil leistungsstarker und aktiver Schülerinnen und Schüler ist ebenso wichtig.

Gibt es an einer Gemeinschaftsschule Noten?

Rückmeldungen zu Leistungen und zum sozialen Verhalten sind in Lerngruppen unverzichtbar, darin sind in der Regel auch Bewertungen enthalten. Die Frage ist nur, in welcher Form diese Rück­meldungen stattfinden und welche Wirkungen sie haben. Misserfolge, die z.B. durch Ziffern­noten bescheinigt werden, können beispielweise zu einer Demotivation und zum Scheitern der Schul­karriere beitragen.

In welcher Weise eine Gemeinschaftsschule die Rückmeldungen und Bewertungen geben will, wird im jeweiligen Schulprogramm festgelegt – dazu gibt es keine verbindlichen Vorschriften. In Grundschulen und Schulen der Reformpädagogik wird teilweise oder ganz auf Ziffernnoten verzichtet. An die Stelle treten schriftliche Rückmeldungen und Berichte zum Lernfortschritt. Dazu haben sich in der Regel auch die bereits bestehenden Gemeinschaftsschulen entschieden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Eltern und Schüler/innen in höheren Jahrgangsstufen eine Bewertung mit Ziffernnoten von den Schulen einfordern, wie es das sächsische Schulgesetz verlangt.

Gibt es an der Gemeinschaftsschule nach der 4. Klasse eine Bildungsempfehlung?

Der Paragraph im Schulgesetz, der die Bildungsempfehlung regelt, ist überschrieben mit: „Wahl des Bildungsweges“. Da diese Entscheidung bei einer Gemeinschaftsschule mit der Einschulung bereits getroffen ist, bedarf es keiner Bildungsempfehlung nach der 4. Klasse. Da die Gemein­schafts­­schule eine SCHULE FÜR ALLE ist, wird bei Übergängen von einer kooperierenden Grund­schule oder späteren Übergängen von einer anderen Schule ebenfalls keine Bildungs­empfehlung benötigt.

Was passiert, wenn eine Familie umzieht oder ein Kind die Gemeinschaftsschule verlässt?

Da es zurzeit bereits in neun Bundesländern Gemeinschaftsschulen gibt und der Unterricht dort auf alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse der in Deutschland möglichen Schulformen ausgerichtet ist, stellt der Ortswechsel in ein anderes Bundesland kein Problem im Hinblick auf den Schulwechsel dar. Geschieht der Umzug am Ende der 4. Klasse, bekommt das Kind eine Bildungsempfehlung.

Ansonsten genügt das Jahreszeugnis für die Anmeldung an einer Schule am neuen Wohnort.

Gibt es Vorgaben zur Größe einer Gemeinschaftsschule?

Gemeinschaftsschulen sollen nicht als „Mammutschulen“ errichtet werden, auf der anderen Seite sollten sie nicht zu klein sein, um z.B. Differenzierungen nach Neigungen in Interessen- und Übungs­gruppen zu ermöglichen. Darüber muss von der jeweiligen Schule und dem Schulträger unter dem Gesichtspunkt entschieden werden, was die beste Lösung für den jeweili­gen Standort ist. Im Schulgesetz soll eine mittlere Linie festgeschrieben werden: Analog zu den Oberschulen werden Gemeinschaftsschulen mindestens zweizügig mit einer Mindestschüler­zahl von 20 Lernenden pro Klasse eingerichtet. Um Schulstandorte im ländlichen Raum zu erhalten, können Gemeinschaftsschulen (ebenso wie Oberschulen) einzügig geführt werden.

Hilft die Gemeinschaftsschule, die soziale Ungleichheit zu kompensieren?

Das auf Auslese beruhende traditionelle Schulsystem in Deutschland trägt dazu bei, dass sich die bestehende soziale Ungleichheit verfestigt. Diese Chancenungleichheit drückt sich bspw. darin aus, dass Kinder aus sog. Akademikerfamilien eine mehrfach höhere Chance haben das Abitur zu erreichen als Kinder aus sog. Arbeiterfamilien. Gemeinschaftsschule kann durch das längere gemeinsame Lernen dazu beitragen, dass sich die Chancen, einen höheren Schulabschluss zu erwerben und damit ein Hochschulstudium beginnen zu können, auch für Nicht-Akademikerkinder erhöhen. Durch die ganzheitliche Förderung gemäß der reformpädago­gischen Devise „Lernen mit Herz, Hand und Kopf“ sollten die ehemaligen Gemeinschaftsschüler auch als Persönlichkeit gefestigt und optimal in der Lage sein, sich in der Berufsausbildung zu bewähren.

Hilft die Gemeinschaftsschule Schulstress zu vermeiden?

Bestehende Gemeinschaftsschulen werben sogar damit, „Eine Schule ohne Schulstress“ zu sein – und es gehört zu den zentralen Zielen dieser besonderen Schulart durch die Organisation des Lernens, ein vielfältig förderndes Schulklima und individuelle Unterstützung das Kind und seine ganzheitliche Entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen. Der Verzicht auf Ziffernnoten und die schriftliche Bildungsempfehlung – beide werden von vielen Eltern, Kindern und Lehrkräften als zentrale Belastungsfaktoren empfunden, sprechen für die Gemeinschaftsschule. Das traditionelle Schulsystem krankt daran, dass Abschlüsse und Berechtigungen zum alleinigen Maßstab des schulischen Lernens erhoben werden und z.T. die gesundheitlichen Folgen für die heran­wach­sen­den Kinder und Jugendlichen nicht gesehen oder billigend in Kauf genommen werden. Die Programmatik der Gemeinschaftsschulen soll dazu ein Gegenentwurf sein. Lehrkräfte, Schulatmosphäre, Mitschülerinnen und Mitschüler – alles ist dem einzelnen Schüler, der einzelnen Schülerin von der 1. Klasse an bekannt. Ein solches vertrautes Lernumfeld kann Stress vermeiden.

Können durch die Gemeinschaftsschule Schulschließungen verhindert werden?

Regionalplaner sagen: „Stirbt die Schule, stirbt der ganze Ort“. In Sachsen wurden seit dem Jahre 1990 bis zum Schuljahr 2016/17 ca. 1.500 Schulen durch Mitwir­kungs­entzug des Kultusministeriums und größten Teils gegen den Willen der Bevölkerung und des zuständigen Schulträgers geschlossen. Die Auseinandersetzungen waren konflikthaft und wurden teilweise gerichtlich ausgetragen. Ein wichtiges Ergebnis war, dass das Recht der Schulträger zur Schulnetzplanung gegenüber der Ministerialbürokratie gestärkt worden ist. Hätte seinerzeit schon die Möglichkeit bestanden, bestehende Schularten, die wegen der zurückgehenden Schülerzahlen vom Bestand bedroht waren, in einer Gemeinschaftsschule zusammenzufassen, hätten viele Schulstandorte erhalten werden können. Die Möglichkeit der Standortabsicherung besteht nach wie vor. Die Gemeinschaftsschule kann ein breites Bildungsangebot auch in ländlichen Gebieten sicherstellen. Durch die Möglichkeit der Kooperation von Grundschulen und Gymnasien mit Gemeinschaftsschulen oder durch das Zusammenführen mehrerer Schularten in einer Gemeinschaftsschule kann dazu beitragen werden, Schulschließungen zu verhindern und das Bildungsangebot speziell im ländlichen Raum aufrecht zu erhalten.

Welche Vorteile hat eine Gemeinschaftsschule in Zeiten des Lehrermangels?

Da an einer Gemeinschaftsschule alle allgemeinbildenden Schulstufen existieren bzw. durch eine entsprechende Kooperation gewährleistet sind, unterrichten an ihr nicht nur Lehrer für alle Fächer, sondern auch für alle Schulstufen, die es im allgemeinbildenden Schulsystem Sachsen gibt. Hinzu kommt, dass gemeinsames Lernen dringend die Koordination und Kooperation aller beteiligten Lehrkräfte benötigt, wenn eine Unterrichts- und Lernkultur gestaltet werden soll, die Heterogenität und Vielfalt der Lernenden zielgerichtet nutzt und alle Schülerinnen und Schüler optimal fordert und fördert. Durch den damit verbundenen Wechsel zwischen individuellen und kooperativen Lernphasen, Unterrichtsprojekte, fächerübergreifenden Unterricht, aufgabengesteuertes selbstverantwortliches Lernen, vielfältige unterrichtsmethodische Gestaltung u.a.m. kann auch der Lehrereinsatz optimiert werden, können Lehrerausfälle oder gar unbesetzte Lehrerstellen kurzzeitig überbrückt werden. Quereinsteiger in den Lehrerberuf bleiben dabei keine „Einzelkämpfer“, sondern über vielfältige Formen der Kooperation und Zusammenarbeit ins Lehrerteam eingebunden.

Wie können Gemeinschaftsschulen entstehen?

Gemeinschaftsschulen können neu errichtet werden oder entstehen im Konsens von bestehenden Schulen mit dem Schulträger, der die Schulnetzplanung verantwortet. Eine Gemeinschaftsschule umfasst im Idealfall die Primarstufe (Klassenstufen 1 bis 4), die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) sowie die Sekundarstufe II (Jahrgangsstufen 11 und 12 bzw. 13). Ausnahmen sind möglich. Dann müssen aber Kooperationen mit anderen Schulen vereinbart werden, z.B. mit Grundschulen, wenn die Gemeinschaftsschule erst mit dem 5. Jahrgang beginnt oder mit einem Gymnasium, falls keine Sekundarstufe II vorhanden ist, um das Abitur zu ermöglichen.

Um die Zustimmung der obersten Schulbehörde, dem Kultusministerium, zur Einrichtung einer Gemeinschaftsschule zu erhalten, muss vom Schulträger in Zusammenarbeit mit der betreffen­den Schule ein Schulprogramm vorgelegt werden. In dem Schulprogramm der Gemeinschafts­schule sind die zu erreichenden Bildungs- und Erziehungsziele sowie die Formen und Methoden gemeinsamen Lernens in einer vielfältig zusammengesetzten Schülerschaft festzulegen. Verfügt die Gemeinschaftsschule im Gründungsprozess noch nicht über alle Schulstufen muss der Schul­träger den perspektivischen Ausbau der Gemeinschaftsschule beschreiben.

Wie kann ich den Volksantrag zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen unterstützen?

Wenn Sie diese Frage anklicken, sind Sie wahrscheinlich interessiert, das bestehende Bündnis „GEMEINSCHAFTSSCHULE – LÄNGER GEMEINSAM LERNEN“ zu unterstützen. Sie stehen mit diesem Interesse nicht allein: Ein breites Bündnis, das aus Institutionen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Interessenvertretungen der Eltern-, Lehrer- und Schülerschaft, Bildungsexper­tinnen und –experten sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern besteht, unterstützt den Volksantrag zur Ergänzung des Schulgesetzes. Auf dieser Website können Sie unseren Vorschlag zur Einführung von Gemein­schafts­schulen und die Begründung dafür nachlesen. Der Landtag muss sich mit diesem Antrag befassen, wenn es gelingt 40.000 Unterschriften von Unterstützern, die im Freistaat Sachen ihren Wohnsitz haben, vorzulegen. Diese Unterschriftenaktion können Sie unterstützen, indem Sie selbst unter­zeich­­nen, für unser Anliegen in Ihrem Umfeld werben und dort weitere Unterschriften sammeln. Einzelheiten zur Unterschriftensammlung erfahren Sie ebenfalls auf dieser Website. In jeder Region Sachsens gibt es Informationszentren, wo Sie Unterschriftslisten erhalten oder abgeben können. In diesen regionalen Stützpunkten werden für die Organisation und weitere Bearbeitung der Antragsunterlagen ehrenamtliche Helfer gesucht, so dass Ihre tatkräftige Unterstützung willkommen ist.

Was unterscheidet die Gemeinschaftsschule von den Gesamtschulen westdeutscher Prägung?

Die Integrierte Gesamtschule ist ein „Kind“ der westdeutschen Bildungsreform Ende der 1960-er Jahre. Willy Brandt hatte im Jahre 1969 zu Beginn der sozialliberalen Koalition die Bildungspolitik an die Spitze der Reformen gestellt und die Losung ausgegeben: „Die Schule der Nation ist die Schule“. Die Gesamtschule schien ein geeignetes Instrument zu sein, um Kinder aus bildungsfernen Schichten zu qualifizieren (Chancengleichheit) und zugleich Begabungsreserven auszuschöpfen (Wirtschaftliches Interesse). Nordrhein-Westfalen und Hessen standen an der Spitze der Reformbewegung, in den westdeutschen Bundesländern sind Gesamtschulen verbreiteter (Ausnahme: Bayern) als in den ostdeutschen Bundesländern (Ausnahme: Brandenburg). Im Gegensatz zu den Kooperativen Gesamtschulen (drei Schularten auf einem Campus) sollten die Kinder in der Integrierten Gesamtschule (zunächst) nicht voneinander getrennt werden. 

Integrierte Gesamtschulen sind das Ergebnis einer Bildungspolitik von oben. Um mehr Bildungs­gerechtigkeit herzustellen, wurde der Elternwille bei der Schullaufbahnentschei­dung eingeschränkt und das Votum der Schule gestärkt (das wurde später als ver­fassungs­­widrig zurückgenommen). In der Regel handelt sich um sehr große Schulen mit 5 oder 6 parallelen Zügen, die fast ausnahmslos im 5. Jahrgang starten. Nach und nach hat sich eine äußere Differenzierung in den Hauptfächern nach Leistungsstufen (z.B. A-, B- und C-Kurse) herausgebildet. Die Kritiker sagen, die Dreigliedrigkeit habe sich im Inneren der IGS reproduziert. Von Nachteil war auch, dass die IGS sehr häufig am Rande der großen Städte in benachteiligten Wohnquartieren angesiedelt wurden und dadurch die „gute Mischung“ der Schülerschaft fehlte, da die Gymnasien die besten Grundschüler für sich gewinnen konnten („Creaming Effekt“).   

Im Gegensatz dazu ist die Gemeinschaftsschule eine „Schule von unten“, über deren Einrichtung vor Ort entschieden wird. Nach Möglichkeit sollen die Schüler*innen bereits ab dem 1. Jahrgang mit Methoden der individuellen Förderung gemeinsam lernen. Der Unterricht erfolgt in heterogenen Gruppen, die Unterschiedlichkeit der Kinder wird als Vorteil gewertet und pädagogisch genutzt. Eine auf die unterschiedlichen Schul­ab­schlüs­se bezogene Differenzierung setzt frühestens im 9. Jahrgang ein. Gemeinschaftsschulen sind eher kleinere und überschaubare Einrichtungen, die dem Elternwunsch nach einem reformpädagogischen und schülerorientierten Aufwachsen ihrer Kinder entsprechen. Vor der Einrichtung müssen die Schulen ein pädagogisches Konzept entwickeln, in dem sie darlegen, wie die anspruchsvollen Ziele pädagogisch erreicht werden sollen.

Wahrscheinlich ist der größte Unterschied: Gesamtschulen – nicht in ihrer ursprüng­lichen Idee, aber im Ergebnis ihrer Entwicklung – stellen eher eine Strukturreform dar, Gemeinschaftsschulen, wie wir sie uns vorstellen, sind im Kern eine pädagogische Reform.         

Soll mit der Gemeinschaftsschule die „Einheitsschule“ der DDR wiederbelebt werden?

Auf den ersten Blick könnte man das vermuten, zumal dort länger gemeinsam gelernt wurde, seit 1984 von der 1. bis zur 10. Klasse, davor bis zur 8. Klasse. Neben den Strukturähnlichkeiten gibt es aber wesentliche Unterschiede.

 

Erstens wird die Gemeinschaftsschule als optionales Modell vorgeschlagen. Damit bleiben die bisherigen Schulformen erhalten und werden durch eine weitere Schulform ergänzt, mit der versucht wird, die Mängel des bisherigen sächsischen Schulsystems auszugleichen. Damit kann vor Ort, in Abstimmung mit dem Schulträger, entschieden werden, ob eine Gemeinschaftsschule gebraucht wird oder nicht. Das war bekanntlich in der DDR nicht so. Es gab nur den einen einheitlichen Weg bis zum Abitur, ergänzt durch die Berufsausbildung mit Abitur.

Zweitens existierte in der DDR ein Bildungsauftrag, der das Ziel verfolgte, eine möglichst einheitliche Allgemeinbildung für alle Kinder zu vermitteln. Das betraf insbesondere die weltanschaulichen und ideologischen Ziele. Hier hatte der vormundschaftliche Staat entschieden, welche Weltanschauung für die Heranwachsenden die einzig richtige sein sollte. Möglichkeiten für selbstständige Bildungsentscheidungen waren nicht gefragt. Die neue Gemeinschaftsschule will die Lernenden und ihre Eltern nicht nur an den Bildungswegentscheidungen beteiligen, sondern organisiert selbstbestimmtes Lernen und ermöglicht die aktive Mitwirkung an einer Lernkultur, die der Individualität der Kinder und Jugendlichen Rechnung trägt und optimale Entwicklungschancen eröffnet.

Drittens muss sich die Unterrichts- und Lernkultur in der Gemeinschaftsschule deutlich vom Lernen in der DDR-Schule unterscheiden. Schüler in der Gemeinschaftsschule lernen zwar in Klassenverbänden in einem gemeinsamen Bildungsgang, werden aber je nach Leistungsstand, Begabungen und Bildungsabsichten im vorwiegend binnendifferenzierten Unterricht individuell gefördert. Das verlangt eine Lernkultur, in der sich individuelle und kooperative Lernphasen abwechseln. Mitunter wird fächerübergreifend oder jahrgangsübergreifend gelernt, Unterrichtsprojekte gehen über den schulischen Rahmen hinaus und ermöglichen den Zugang zur Berufswelt. Lebendige und motivierende frontale Unterrichtphasen sollen selbstorganisiertes Lernen unterstützen. Es wird nicht nur kognitiv, sondern auch ganzheitlich gelernt wird. Schüler mit unterschiedlichem Leistungsstand lernen miteinander und voneinander.

Viertens war in der DDR-Schule die Realisierung der in staatlichen Lehrplänen einheitlich vorgegebenen Ziele und Inhalte des Unterrichts eine Verpflichtung für alle Lehrerinnen und Lehrer, die zwar eifrig kontrolliert, allerdings auch nicht immer erfüllt wurde. Voraussetzung für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule wird die Vorlage eines Schulprogramms sein, das an der Schule selbst erarbeitet wurde und die Gegebenheiten und Erfordernisse vor Ort berücksichtigen soll. In diesem Schulprogramm sind die zu erreichenden Bildungs- und Erziehungsziele sowie die Formen und Methoden gemeinsamen Lernens in einer vielfältig zusammengesetzten Schülerschaft festzulegen. Es hat sich dabei an den für die jeweilige Schulstufe geltenden Lehrplänen zu orientieren und kann von der vorgeschriebenen Stundentafel begründet abweichen.