Was ist eine "Gemeinschaftsschule"?
Die beiden zentralen Merkmale der Gemeinschaftsschule sind das Längere gemeinsame Lernen und die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler. Diese können in einem gemeinsamen Bildungsgang eine allgemeine, berufsvorbereitende und vertiefte allgemeine Bildung erwerben. Die Gemeinschaftsschule umfasst die Primarstufe (Klassenstufen 1 bis 4), die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) sowie die Sekundarstufe II (Jahrgangsstufen 11 und 12 bzw. 13). Die Schülerinnen und Schüler können in diesem Rahmen den Hauptschulabschluss, den qualifizierenden Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss oder die allgemeine Hochschulreife erwerben. Sie lernen gemeinsam in ihren Klassenverbänden oder jahrgangsübergreifenden Lerngruppen, werden nicht nach Leistungsgruppen getrennt, sondern im vorwiegend binnendifferenzierenden Unterricht ihren Leistungsmöglichkeiten, Begabungen und Bildungsabsichten entsprechend individuell gefördert. Ab Klassenstufe 7 wird je nach Leistungsstand und angestrebtem Abschluss abschlussbezogenes Lernen in bestimmten Fächern erfolgen.
Wodurch zeichnet sich der Unterricht an einer Gemeinschaftsschule aus?
Gemeinsames Lernen hat den Vorteil, dass in einer Lerngruppe Kinder mit unterschiedlichen Begabungen und Interessen zusammenkommen, die miteinander und voneinander lernen. Dazu ist jedoch eine besondere Lernkultur mit Lerngemeinschaften und kooperativen Lernformen erforderlich, in der eine konsequente individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes erfolgt. Jedes Kind kann seine eigenen Leistungsmöglichkeiten und seine kommunikativen und sozialen Fähigkeiten auf vielfältige Weise weiterentwickeln. Auch die Lehrkräfte können sich, während die Gruppe weiterarbeitet, gezielt um einzelne Lernende kümmern, sie fachlich und lernmethodisch unterstützen, ihnen Aufgaben geben, die ihrem speziellen Leistungsstand entsprechen oder sie zum Lernen ermutigen. So erhalten alle Schülerinnen und Schüler verbesserte Lernchancen, unabhängig von speziellen Förder- und Unterstützungsbedarfen oder besondere Begabungen. Dieser Anspruch lässt sich optimal nur langfristig in einem entwicklungsoffenen Bildungsgang ohne Brüche oder Wechsel zwischen verschiedenen Schularten verwirklichen.
Wie können Gemeinschaftsschulen entstehen?
Gemeinschaftsschulen können neu errichtet werden oder entstehen im Konsens von bestehenden Schulen mit dem Schulträger, der die Schulnetzplanung verantwortet. Eine Gemeinschaftsschule umfasst im Idealfall die Primarstufe (Klassenstufen 1 bis 4), die Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) sowie die Sekundarstufe II (Jahrgangsstufen 11 und 12 bzw. 13). Ausnahmen sind möglich. Dann müssen aber Kooperationen mit anderen Schulen vereinbart werden, z.B. mit Grundschulen, wenn die Gemeinschaftsschule erst mit dem 5. Jahrgang beginnt oder mit einem Gymnasium, falls keine Sekundarstufe II vorhanden ist, um das Abitur zu ermöglichen.
Um die Zustimmung der obersten Schulbehörde, dem Kultusministerium, zur Einrichtung einer Gemeinschaftsschule zu erhalten, muss vom Schulträger in Zusammenarbeit mit der betreffenden Schule ein Schulprogramm vorgelegt werden. In dem Schulprogramm der Gemeinschaftsschule sind die zu erreichenden Bildungs- und Erziehungsziele sowie die Formen und Methoden gemeinsamen Lernens in einer vielfältig zusammengesetzten Schülerschaft festzulegen. Verfügt die Gemeinschaftsschule im Gründungsprozess noch nicht über alle Schulstufen muss der Schulträger den perspektivischen Ausbau der Gemeinschaftsschule beschreiben.
Welche Schulformen können eine Gemeinschaftsschule bilden?
- Grundschulen durch Kooperation mit einem Gymnasium
- Grundschulen durch Kooperation mit einer Oberschule
- Oberschulen durch Kooperation mit einem Gymnasium
Die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule ist entweder
- neu auf Beschluss des Schulträgers oder
- durch Schulartänderung bereits bestehender Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien auf Beschluss der jeweiligen Schulkonferenz im Einvernehmen mit der Lehrerkonferenz und dem Schulträger möglich (vgl. § 7a Absatz 4 Satz 1 des Sächsischen Schulgesetzes).
Welche Anforderungen werden an eine Gemeinschaftsschule gestellt?
Rechtliche Grundlage für die Gemeinschaftsschule ist die Schulordnung Gemeinschaftsschule (SOGES).
Darüber hinaus hat das SMK einen „Leitfaden zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen“ erarbeitet.
Dieser gibt eine Orientierung bei inhaltlich/konzeptionellen Fragen.
Beide Dokumente sind hier einsehbar: https://www.schule.sachsen.de/gemeinschaftsschule-7398.html
Welchen Schulabschluss kann mein Kind an der Gemeinschaftsschule erreichen?
Die Schülerinnen und Schüler können an der Gemeinschaftsschule alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse erwerben. Je nach Leistungsmöglichkeiten und Bildungsabsichten sind dies: der Hauptschulabschluss, der qualifizierende Hauptschulabschluss, der Realschulabschluss oder die allgemeine Hochschulreife.
Wie geht es nach der 10. Klasse weiter, wenn mein Kind Abitur machen möchte?
Mit dem Abschluss der 10. Klasse erwirbt das Kind bereits einen mittleren Schulabschluss (Realschulabschluss). Soll der Weg zum Abitur fortgesetzt werden, erfolgt das an der Gemeinschaftsschule.
Welche Vorteile hat die Gemeinschaftsschule gegenüber anderen Schulformen?
Das Lernen – und nicht die Auslese – steht im Vordergrund. Die schriftliche Bildungsempfehlung in der 4. Klasse entfällt, denn die frühe Entscheidung über die weitere Schullaufbahn ist nicht objektiv. Sie verstärkt vielmehr den Schulstress und kann Kinder, Eltern und Lehrerende sozial und psychisch belasten. In der Grundschule entstandene Freundschaften und Lerngemeinschaften der Kinder werden nicht mehr aufgelöst, sondern in der 5. Klasse der Gemeinschaftsschule kontinuierlich fortgesetzt.
Parallel zum Gymnasium entsteht ein gleichwertiger Weg bis zum Abitur. Es gibt keine gesonderten Bildungsgänge, die sich schon in der 5. Klasse auf einen bestimmten Abschluss beziehen. Gemeinschaftsschulen bieten mit einem durchlässigen und individualisierten Lernangebot allen Schülerinnen und Schülern bessere Entwicklungschancen. Bei der aktuellen Sonderauswertung von PISA (2018) zeigte sich, dass eine gute soziale Mischung der Schülerschaft ein Erfolgsfaktor ist, um alle Kinder zu guten Leistungen zu bringen. Bei einem sächsischen Schulversuch gehörten die Gemeinschaftsschulen in Leipzig und Chemnitz zur Spitzengruppe.
Mehr als zwei Drittel der Eltern schulpflichtiger Kinder plädieren bundesweit für Längeres gemeinsames Lernen über die vierte Klasse hinaus (Elternstudie von Killus/Tillmann 2017). 60 Prozent sind der Ansicht, dass der gemeinsame Unterricht den verschiedenen Lernvoraussetzungen besser Rechnung tragen kann.
Wenn wohnortnahe Gemeinschaftsschulen alle Bildungswege offenhalten, verkürzen sich die Schulwege und die Kontakte der Eltern mit der Schule werden erleichtert. Damit kann die Gemeinschaftsschule insbesondere für die ländlichen Regionen der verlässliche Schultyp werden, die dort auch einzügig (eine Klasse pro Jahrgang) oder jahrgangsübergreifend organisiert werden darf. Lehrerinnen und Lehrer arbeiten länger mit den gleichen Schülergruppen. Grundschul-, Oberschul- und Gymnasiallehrer haben die Möglichkeit an einer Schule miteinander zu kooperieren und ihre Unterrichtskonzepte mit Blick auf die bestmöglichen Schulabschlüsse zu koordinieren.
Welche Lehrkräfte unterrichten an Gemeinschaftsschulen?
An der Gemeinschaftsschule unterrichten Lehrkräfte in den jeweiligen Schulstufen, für die sie ausgebildet sind, also: Grundschullehrer/innen in den Jahrgängen 1 bis 4, Oberschul- und Gymnasiallehrkräfte in den Jahrgängen 6 bis 10 und Gymnasiallehrkräfte in den Jahrgängen 11 und 12. Wie an allen anderen Schulen sollen auch Sonderpädagogen an der Gemeinschaftsschule unterrichten. Durch die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitsmarkt wird es nicht vermeidbar sein, dass auf Quer- bzw. Seiteneinsteiger an der Gemeinschaftsschule zurückgegriffen werden muss. Da die Gemeinschaftsschulen ein besonderes pädagogisches Programm haben, käme es darauf an, dass die zu gewinnenden Lehrkräfte für reformpädagogische Fragen und Unterrichtsmethoden sensibilisiert sind. Die Gemeinschaftsschulen sollten sich auch Lehrkräfte mit aussuchen dürfen, die zu ihrem pädagogischen Programm passen.
Welche Schüler sind für die Gemeinschaftsschule geeignet?
Ziel und Zweck der Gemeinschaftsschule ist es, alle Schülerinnen und Schüler aufzunehmen und ein längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Die Unterschiedlichkeit der Kinder ist kein Nachteil, sondern kann pädagogisch genutzt werden. In den Jena-Plan-Schulen wird es daher zum Prinzip gemacht, unterschiedliche Altersjahrgänge gemeinsam zu unterrichten. Die Kinder lernen voneinander und miteinander – so ist es auch in den Gemeinschaftsschulen. Allerdings erhalten nur dann alle Schülerinnen und Schüler verbesserte Lernchancen, wenn die individuellen Ausgangsbedingungen und Begabungen sowie ein spezieller, auch sonderpädagogischer Förder- und Unterstützungsbedarf berücksichtigt werden. Aufgaben und Anforderungen müssen so zugeschnitten sein, dass sie für den einzelnen Lernenden auch „schaffbar“ sind und er sich ggf. zusätzliche Unterstützung bei den Mitschülern oder von den Lehrkräften holen kann.
Wie wird sichergestellt, dass die Kinder an der Gemeinschaftsschule genug lernen? Können Schüler mit der Freiheit beim selbstverantwortlichen Lernen umgehen?
Gemeinschaftsschulen sind – wie alle anderen öffentlichen Schulen – an festgelegte bundesweite Bildungsstandards sowie die sächsischen Lehrpläne und Stundentafeln gebunden. Das Bildungsniveau aller Schülerinnen und Schüler wird beispielsweise durch verbindliche Kompetenztests überprüft und gesichert – das gilt auch für Gemeinschaftsschulen. Bei der Umsetzung und Ausgestaltung der Lehrpläne und Stundentafeln liegt die Verantwortung bei der Schule, auch der einzelne Lehrer hat Spielräume und kann auf die Interessen der Kinder in seiner Klasse eingehen. Der Unterricht in Gemeinschaftsschulen orientiert sich am jeweiligen Schulprogramm, das beim Antrag auf Errichtung der Schule vorgelegt werden muss. In dem Konzept werden die Maßnahmen zum Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft und der Individuellen Förderung festgelegt. Dabei kann auf bewährte Konzepte und pädagogische Erfahrungen an Modellschulen ebenso zurückgegriffen werden wie auf Erkenntnisse aus der Evaluation der bestehenden Gemeinschaftsschulen in Deutschland. Zahlreiche aktuelle Konzepte beinhalten Formen selbstverantwortlichen Lernens. Dieses kann jedoch nicht vorausgesetzt, sondern muss erst kontinuierlich erworben werden. Dabei wird ein unterschiedlicher Grad an Unterstützung notwendig sein. In Gemeinschaftsschulen gehört der Wechsel zwischen individuellen und kooperativen Lernphasen zum Kern des Unterrichtskonzeptes und schließt die systematische Befähigung zum selbstorganisierten, selbstverantwortlichen Lernen als Zielsetzung ein.
Werden leistungsstarke Schüler ausreichend gefordert und gefördert?
Gemeinschaftsschulen verfolgen das Ziel, jeden einzelnen Lernenden optimal zu fördern. Das gilt selbstverständlich auch für die leistungsstärksten unter ihnen. Diese können andere „mitziehen“ und zu einer Verbesserung des Niveaus der ganzen Lerngruppe beitragen. Gemeinsames Lernen kann nur gelingen, wenn auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler anspruchsvolle Lernaufgaben bewältigen, ihre Begabungen entwickeln und ihre fachlichen Kompetenzen ständig verbessern. Beim kooperativen Lernen kommt dies auch ihren Mitschülern zugute. Auf dem Weg zum Abitur kann ab Klasse 9 abschlussbezogen unterrichtet und so eine gezielte Vorbereitung auf die Prüfungen zur allgemeinen Hochschulreife erfolgen. Das gesamte Leistungsniveau einer Lerngruppe lässt sich optimal steigern, wenn Schülerinnen und Schüler aller Leistungsniveaus gefördert und gefordert werden.
Führt individuelles Lernen zur Isolierung und Vereinsamung der Kinder?
Das Individuelle Lernen schließt das Fachliche sowie das Soziale und die Entwicklung der Persönlichkeit in der Gruppe ein. Gemeinschaftsschulen stehen gerade für die Gruppenintegration. Negative Auswirklungen auf die Persönlichkeit sind eher zu befürchten, wenn Kinder auf Grund schlechter Leistungen aus Lerngruppen ausgegrenzt und auf andere Schulen verwiesen werden. Das individuelle Lernen in Gemeinschaftsschulen wird in der Regel als eine Mischung verschiedener didaktischer Methoden gestaltet: Neben individuellen Lernzeiten (selbstverantwortliches Lernen) finden – das ist in der heutigen Vorstellung von Unterricht unumstritten – regelmäßige Phasen kooperativen Lernens und Phasen der Instruktion (sog. Frontalunterricht) statt. In der Verantwortung der Lehrkraft liegt es, diese Phasen, abhängig von den jeweiligen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler der Bezugsgruppe/ Klasse und von den jeweiligen Lernzielen, zu organisieren und entwicklungsfördernd zu gestalten.
Welche Rolle spielt die Klassengemeinschaft in der Gemeinschaftsschule?
Die Klassengemeinschaft ist ein wichtiger Faktor für die soziale und psychische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Eine positive Klassengemeinschaft hilft nicht nur die sozialen Kompetenzen und die Persönlichkeit zu entwickeln, sondern fördert auch die fachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Die Klassengemeinschaft, das impliziert bereits der Begriff „Gemeinschaft“, ist ein Markenzeichen der neuen Schulform Gemeinschaftsschule und wird insbesondere durch das längere gemeinsame Lernen gefestigt. In der Forschung gibt es Hinweise darauf, dass sich durch eine langfristige Bindung an eine bestimmte Lehrperson positive Effekte zeigen, beispielweise sind lt. Pisa-Sonderauswertung 2018 insbesondere benachteiligte Schülergruppen in konstanten Sozialbeziehungen fachlich erfolgreicher. Eine gute soziale Mischung der Lerngruppe ist ein Erfolgsgarant: Problemgruppen dürfen nicht überwiegen, ein nicht zu kleiner Anteil leistungsstarker und aktiver Schülerinnen und Schüler ist ebenso wichtig.
Gibt es an einer Gemeinschaftsschule Noten?
Rückmeldungen zu Leistungen und zum sozialen Verhalten sind in Lerngruppen unverzichtbar, darin sind in der Regel auch Bewertungen enthalten. Die Frage ist nur, in welcher Form diese Rückmeldungen stattfinden und welche Wirkungen sie haben. Misserfolge, die z.B. durch Ziffernnoten bescheinigt werden, können beispielweise zu einer Demotivation und zum Scheitern der Schulkarriere beitragen.
In welcher Weise eine Gemeinschaftsschule die Rückmeldungen und Bewertungen geben will, wird im jeweiligen Schulprogramm festgelegt – dazu gibt es keine verbindlichen Vorschriften. In Grundschulen und Schulen der Reformpädagogik wird teilweise oder ganz auf Ziffernnoten verzichtet. An die Stelle treten schriftliche Rückmeldungen und Berichte zum Lernfortschritt. Dazu haben sich in der Regel auch die bereits bestehenden Gemeinschaftsschulen entschieden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Eltern und Schüler/innen in höheren Jahrgangsstufen eine Bewertung mit Ziffernnoten von den Schulen einfordern, wie es das sächsische Schulgesetz verlangt.
Gibt es an der Gemeinschaftsschule nach der 4. Klasse eine Bildungsempfehlung?
Der Paragraph im Schulgesetz, der die Bildungsempfehlung regelt, ist überschrieben mit: „Wahl des Bildungsweges“. Da diese Entscheidung bei einer Gemeinschaftsschule mit der Einschulung bereits getroffen ist, bedarf es keiner Bildungsempfehlung nach der 4. Klasse. Da die Gemeinschaftsschule eine SCHULE FÜR ALLE ist, wird bei Übergängen von einer kooperierenden Grundschule oder späteren Übergängen von einer anderen Schule ebenfalls keine Bildungsempfehlung benötigt.
Was passiert, wenn eine Familie umzieht oder ein Kind die Gemeinschaftsschule verlässt?
Da es zurzeit bereits in neun Bundesländern Gemeinschaftsschulen gibt und der Unterricht dort auf alle allgemeinbildenden Schulabschlüsse der in Deutschland möglichen Schulformen ausgerichtet ist, stellt der Ortswechsel in ein anderes Bundesland kein Problem im Hinblick auf den Schulwechsel dar. Geschieht der Umzug am Ende der 4. Klasse, bekommt das Kind eine Bildungsempfehlung.
Ansonsten genügt das Jahreszeugnis für die Anmeldung an einer Schule am neuen Wohnort.
Hilft die Gemeinschaftsschule, die soziale Ungleichheit zu kompensieren?
Das auf Auslese beruhende traditionelle Schulsystem in Deutschland trägt dazu bei, dass sich die bestehende soziale Ungleichheit verfestigt. Diese Chancenungleichheit drückt sich bspw. darin aus, dass Kinder aus sog. Akademikerfamilien eine mehrfach höhere Chance haben das Abitur zu erreichen als Kinder aus sog. Arbeiterfamilien. Gemeinschaftsschule kann durch das längere gemeinsame Lernen dazu beitragen, dass sich die Chancen, einen höheren Schulabschluss zu erwerben und damit ein Hochschulstudium beginnen zu können, auch für Nicht-Akademikerkinder erhöhen. Durch die ganzheitliche Förderung gemäß der reformpädagogischen Devise „Lernen mit Herz, Hand und Kopf“ sollten die ehemaligen Gemeinschaftsschüler auch als Persönlichkeit gefestigt und optimal in der Lage sein, sich in der Berufsausbildung zu bewähren.
Hilft die Gemeinschaftsschule Schulstress zu vermeiden?
Bestehende Gemeinschaftsschulen werben sogar damit, „Eine Schule ohne Schulstress“ zu sein – und es gehört zu den zentralen Zielen dieser besonderen Schulart durch die Organisation des Lernens, ein vielfältig förderndes Schulklima und individuelle Unterstützung das Kind und seine ganzheitliche Entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen. Der Verzicht auf Ziffernnoten und die schriftliche Bildungsempfehlung – beide werden von vielen Eltern, Kindern und Lehrkräften als zentrale Belastungsfaktoren empfunden, sprechen für die Gemeinschaftsschule. Das traditionelle Schulsystem krankt daran, dass Abschlüsse und Berechtigungen zum alleinigen Maßstab des schulischen Lernens erhoben werden und z.T. die gesundheitlichen Folgen für die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen nicht gesehen oder billigend in Kauf genommen werden. Die Programmatik der Gemeinschaftsschulen soll dazu ein Gegenentwurf sein. Lehrkräfte, Schulatmosphäre, Mitschülerinnen und Mitschüler – alles ist dem einzelnen Schüler, der einzelnen Schülerin von der 1. Klasse an bekannt. Ein solches vertrautes Lernumfeld kann Stress vermeiden.
Können durch die Gemeinschaftsschule Schulschließungen verhindert werden?
Regionalplaner sagen: „Stirbt die Schule, stirbt der ganze Ort“. In Sachsen wurden seit dem Jahre 1990 bis zum Schuljahr 2016/17 ca. 1.500 Schulen durch Mitwirkungsentzug des Kultusministeriums und größten Teils gegen den Willen der Bevölkerung und des zuständigen Schulträgers geschlossen. Die Auseinandersetzungen waren konflikthaft und wurden teilweise gerichtlich ausgetragen. Ein wichtiges Ergebnis war, dass das Recht der Schulträger zur Schulnetzplanung gegenüber der Ministerialbürokratie gestärkt worden ist. Hätte seinerzeit schon die Möglichkeit bestanden, bestehende Schularten, die wegen der zurückgehenden Schülerzahlen vom Bestand bedroht waren, in einer Gemeinschaftsschule zusammenzufassen, hätten viele Schulstandorte erhalten werden können. Die Möglichkeit der Standortabsicherung besteht nach wie vor. Die Gemeinschaftsschule kann ein breites Bildungsangebot auch in ländlichen Gebieten sicherstellen. Durch die Möglichkeit der Kooperation von Grundschulen und Gymnasien mit Gemeinschaftsschulen oder durch das Zusammenführen mehrerer Schularten in einer Gemeinschaftsschule kann dazu beitragen werden, Schulschließungen zu verhindern und das Bildungsangebot speziell im ländlichen Raum aufrecht zu erhalten.
Welche Vorteile hat eine Gemeinschaftsschule in Zeiten des Lehrermangels?
Da an einer Gemeinschaftsschule alle allgemeinbildenden Schulstufen existieren bzw. durch eine entsprechende Kooperation gewährleistet sind, unterrichten an ihr nicht nur Lehrer für alle Fächer, sondern auch für alle Schulstufen, die es im allgemeinbildenden Schulsystem Sachsen gibt. Hinzu kommt, dass gemeinsames Lernen dringend die Koordination und Kooperation aller beteiligten Lehrkräfte benötigt, wenn eine Unterrichts- und Lernkultur gestaltet werden soll, die Heterogenität und Vielfalt der Lernenden zielgerichtet nutzt und alle Schülerinnen und Schüler optimal fordert und fördert. Durch den damit verbundenen Wechsel zwischen individuellen und kooperativen Lernphasen, Unterrichtsprojekte, fächerübergreifenden Unterricht, aufgabengesteuertes selbstverantwortliches Lernen, vielfältige unterrichtsmethodische Gestaltung u.a.m. kann auch der Lehrereinsatz optimiert werden, können Lehrerausfälle oder gar unbesetzte Lehrerstellen kurzzeitig überbrückt werden. Quereinsteiger in den Lehrerberuf bleiben dabei keine „Einzelkämpfer“, sondern über vielfältige Formen der Kooperation und Zusammenarbeit ins Lehrerteam eingebunden.
Was unterscheidet die Gemeinschaftsschule von den Gesamtschulen westdeutscher Prägung?
Die Integrierte Gesamtschule ist ein „Kind“ der westdeutschen Bildungsreform Ende der 1960-er Jahre. Willy Brandt hatte im Jahre 1969 zu Beginn der sozialliberalen Koalition die Bildungspolitik an die Spitze der Reformen gestellt und die Losung ausgegeben: „Die Schule der Nation ist die Schule“. Die Gesamtschule schien ein geeignetes Instrument zu sein, um Kinder aus bildungsfernen Schichten zu qualifizieren (Chancengleichheit) und zugleich Begabungsreserven auszuschöpfen (Wirtschaftliches Interesse). Nordrhein-Westfalen und Hessen standen an der Spitze der Reformbewegung, in den westdeutschen Bundesländern sind Gesamtschulen verbreiteter (Ausnahme: Bayern) als in den ostdeutschen Bundesländern (Ausnahme: Brandenburg). Im Gegensatz zu den Kooperativen Gesamtschulen (drei Schularten auf einem Campus) sollten die Kinder in der Integrierten Gesamtschule (zunächst) nicht voneinander getrennt werden.
Integrierte Gesamtschulen sind das Ergebnis einer Bildungspolitik von oben. Um mehr Bildungsgerechtigkeit herzustellen, wurde der Elternwille bei der Schullaufbahnentscheidung eingeschränkt und das Votum der Schule gestärkt (das wurde später als verfassungswidrig zurückgenommen). In der Regel handelt sich um sehr große Schulen mit 5 oder 6 parallelen Zügen, die fast ausnahmslos im 5. Jahrgang starten. Nach und nach hat sich eine äußere Differenzierung in den Hauptfächern nach Leistungsstufen (z.B. A-, B- und C-Kurse) herausgebildet. Die Kritiker sagen, die Dreigliedrigkeit habe sich im Inneren der IGS reproduziert. Von Nachteil war auch, dass die IGS sehr häufig am Rande der großen Städte in benachteiligten Wohnquartieren angesiedelt wurden und dadurch die „gute Mischung“ der Schülerschaft fehlte, da die Gymnasien die besten Grundschüler für sich gewinnen konnten („Creaming Effekt“).
Im Gegensatz dazu ist die Gemeinschaftsschule eine „Schule von unten“, über deren Einrichtung vor Ort entschieden wird. Nach Möglichkeit sollen die Schüler*innen bereits ab dem 1. Jahrgang mit Methoden der individuellen Förderung gemeinsam lernen. Der Unterricht erfolgt in heterogenen Gruppen, die Unterschiedlichkeit der Kinder wird als Vorteil gewertet und pädagogisch genutzt. Eine auf die unterschiedlichen Schulabschlüsse bezogene Differenzierung setzt frühestens im 9. Jahrgang ein. Gemeinschaftsschulen sind eher kleinere und überschaubare Einrichtungen, die dem Elternwunsch nach einem reformpädagogischen und schülerorientierten Aufwachsen ihrer Kinder entsprechen. Vor der Einrichtung müssen die Schulen ein pädagogisches Konzept entwickeln, in dem sie darlegen, wie die anspruchsvollen Ziele pädagogisch erreicht werden sollen.
Wahrscheinlich ist der größte Unterschied: Gesamtschulen – nicht in ihrer ursprünglichen Idee, aber im Ergebnis ihrer Entwicklung – stellen eher eine Strukturreform dar, Gemeinschaftsschulen, wie wir sie uns vorstellen, sind im Kern eine pädagogische Reform.
Muss eine bestehende freie Schule einen Antrag auf Genehmigung einer Gemeinschaftsschule stellen?
Ja. Die Grundlage dafür bilden das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft (SächsFrTrSchulG) sowie die VO Genehmigung und Anerkennung von Schulen in freier Trägerschaft (SächsFrTrSchulVO).
Kann ein freier Schulträger von Anfang an eine Gemeinschaftsschule gründen?
Ja. Im Konzept sowie bei den Genehmigungsunterlagen muss dies konkret dargestellt werden.
Dabei ist die Entscheidung, ob die Schule Abschlüsse bis zum Abitur anbietet oder sich als Oberschule+ versteht.